· 

Des Kaisers neue Kleider

Hand und Salz
Ausschnitt aus "Das Salz der Erde", Acryl auf Baumwolle, 100 cm x 80 cm, 2010

 Als das Jahr 2000 noch eine ferne Zukunft war, waren Visionen des technischen Fortschritts maßgeblich positiv. Es gab nichts, wofür es in der „Zukunft 2000“ keine Lösung gab. Heute, im neunzehnten Jahr nach der Jahrtausendwende, gibt es sicherlich einige Erneuerungen, die ihr Versprechen eingelöst haben. Das ändert aber nichts daran, dass wir von der im vergangenen Jahrhundert prophezeiten glücklicheren Zukunft weit entfernt sind.

 

Mag sein, dass auch einige Probleme, wie der Klimawandel, hinzugekommen sind, die im vergangenen Jahrhundert nicht abzusehen gewesen waren. Aber gegen Hunger und Elend infolge von Krieg und Gewalt hat es bislang weder technische noch politische Lösungen gegeben. In gewisser Weise sind wir inzwischen global ebenso vernetzt wie wir getrennt sind. Anders gesagt, mit den neuen technischen Errungenschaften leben wir zunehmend weiter entfernt von der Wirklichkeit, die letztlich jeden irgendwann einmal einholen wird.

 

Die Digitalisierung bestimmt Gegenwart und Zukunft, bestimmt Industrie und Alltag. Die damit einhergehende Automatisierung setzt Ressourcen frei – und viele Menschen ins Abseits gesellschaftlichen Lebens. Das ist der Preis.

 

Zweifelsohne lassen sich viele sinnvolle Dinge durch Digitalisierung bewältigen und verbessern. Digitalisierung ist quasi das Gold der heutigen Tage. Aber Gold kann man bekanntlich nicht essen. Gleichwohl lässt die Wertschätzung für das, was essbar ist, und für diejenigen, die Essbares produzieren, zu wünschen übrig. Dabei loben wir die „Kleider des Kaisers“, die wir wie im gleichnamigen Märchen in Wahrheit gar nicht sehen. Wir sind so geblendet von unserer virtuellen Teilnahme am Weltgeschehen, das wir den Bezug zur Wirklichkeit der „kleinen Dinge“ und „kleinen Leute“ zu verlieren scheinen.

 

Wir beneiden den Kaiser ebenso wie wir ihn verehren. Dabei sind wir uns so nützlich wie seine in Wahrheit nicht vorhandenen Kleider.

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0