Mythologie und Wirklichkeit II

Koenig auf Balkon, 23 cm x 58 cm, Gouache, Lack auf Holz, 2004, Privatbesitz
Koenig auf Balkon, 23 cm x 58 cm, Gouache, Lack auf Holz, 2004, Privatbesitz

 Ob und inwieweit Mythologie mit der historischen Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen ist, wurde und wird auch in Bezug auf den Mythos um König Minos untersucht. So wurde u.a. festgestellt, dass trotz aller archäologischen Untersuchungen keine Spur eines Königs Minos aufzufinden war. So entpuppte sich auch das berühmte Labyrinth bei genauerer Betrachtung als eine Architektur, die den Griechen so fremd gewesen war, dass sie es fälschlicherweise zum Labyrinth erklärten. All das zeigt nur, dass wir bei der Betrachtung sowie der Bewertung von Mythos und Wirklichkeit unsere eigene geistige Beschränktheit einbeziehen sollten.

 

Es ist wahrscheinlich, dass es nie einen König Minos auf Kreta gegeben hatte. Vieles deutet darauf hin, dass die minoische Gesellschaft kaum hierarchisch organisiert war. Darauf weisen nicht zuletzt die kollektiven bei gleichzeitigem Fehlen königlicher Grabstätten hin. Abbildungen von Priesterinnen hingegen zeigen eine gewisse Bedeutung ihrer Funktion für die minoische Gesellschaft auf, die gleichwohl nicht herrschaftlicher Natur gewesen sein muss.

 

Nichtsdestotrotz muss damit der Mythos vom König Minos, dem Minotaurus und dem Labyrinth nicht vollkommen ohne historische Bedeutung sein. Vielmehr, so glaube ich, ist der Mythos um König Minos entstanden, um die neue griechische Herrschaft auf Kreta zu begründen und vor allem zu legitimieren. Denn es konnte nicht in ihrem Sinne sein, dass eine egalitäre Gesellschaft, in der Frauen als Priesterinnen eine wichtige Position eingenommen hatten, publik wurde. Also erschufen sie die legendäre Gestalt eines Königs Minos, eine in einen Stier verliebte Pasiphae und einen griechischen Helden der dem monströsen Resultat namens Minotaurus den Garaus machte.

 

 

Vermutlich gehen noch viele andere Mythologien, wie bspw. auch die vom Stier und Europa auf diesen Konflikt zwischen egalitären und männlich dominierten Gesellschaften zurück. Wie wahr uns in diesem Zusammenhang Mythologie und historische Wirklichkeit erscheint, ist am Ende immer auch eine Frage der Interpretation und Perspektive oder auch unserer geistigen Beschränktheit.

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