· 

Pasiphae und das Ende der minoischen Kultur

Akte eines auf dem Boden sitzenden Mannes (Minos) und einer stehenden Frau (Pasiphae) mit nach oben gerichteten Armen.
"Tanz des Lebens - rot" oder "Minos und Pasipae", Acryl auf Leinwand, 80 cm x 100 cm, 2016

Pasiphae, „die für alle Strahlende“ herrschte am Ende der Bronzezeit über Kreta. Als Herrscherin des Landes, oberste Priesterin und Göttin des Mondes trug sie bei großen Festlichkeiten als Zeichen ihrer Würde die Gesichtsmaske einer Kuh. Als Muttergöttin war sie Tochter und Gemahlin des Sonnengottes, der in Gestalt eines Stieres verehrt wurde.

 

Doch die Tage der Muttergöttinnen waren gezählt. Eine große Flut zerstörte die Insel. Die wenigen Menschen, die überlebten sahen hoffnungslos auf die Ruinen ihrer Häuser. Pasiphaes magischen Kräfte der Pasiphae waren dagegen machtlos. Nun kommen die Krieger aus dem Norden. Und die bronzenen Waffen versagten gegen die Schwerter und Speere aus Eisen. Mit Wehmut sah sie dem kommenden Zeitalter entgegen. Das Erbe der Göttinnen sah sie mit Füßen getreten. Die Götter werden an Bedeutung verlieren. Die Macht über Mensch und Natur, materieller Besitz und Waffen aus Eisen werden die bisherige Ordnung der Vernichtung preisgeben. Die Magie des Lebens wird seiner Seele beraubt sein.

 

All das sah Pasiphae mit nüchternem Blick. Sie sah auch die Sehnsucht ihres Gemahls, Minos, der hoffnungsfroh aufs Meer schaute. Vom Meer her kommen die neuen Herrscher und nehmen die Insel in ihren Besitz. Nicht der göttliche Stier wird dem Meer entsteigen und die Vermählung mit dem wiedergeborenen König verkünden. Nein, sie werden den Stier schlachten und mit blutigen Ritualen das neue Zeitalter besiegeln. Minos wird seine Göttlichkeit verlieren und im Glauben sterben, seine Königswürde zu erhalten. Pasiphae sollte dann wird nichts weiter als sein schmückendes Beiwerk sein, zumindest solange ihm der Schmuck gefällt und es nicht gegen ein anderes Schmuckstück austauscht: jung und schön. Pasiphae hatte den Speer der Europa stumpf werden sehen, ihre Wächter fallen, deren bronzene Schilder die feindlichen Speere nicht abwehren können. Das gleiche Schicksal sah Pasipae für Medea voraus. Die sich selbst ihrer Macht berauben wird, aber am Ende wieder zu erlangen versucht.

 

 

Pasiphae sah sich im Labyrinth des Minos gefangen. Sie sah sich einer entzauberten Welt ohne Zuflucht ausgeliefert. Sie sehnte sich jenes Schicksal herbei, das sie mit dem göttlichen Stier zu teilen bereit war. Zärtlich streichelte sie den muskulösen Nacken des Stieres, dessen Atem so ruhig wie der eines Säuglings ging. Sie wischte die Tränen von ihren Wangen und lächelte beim Gedanken einer nicht ewig währenden neuen Zeit.  

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0