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Malerisch

Zwei nackte Menschen, die sich umarmen
Liebende, 35 cm x 45 cm, Gouache auf Leinwand, 2004, Privatbesitz

 Der Künstler und Kunsthistoriker Giorgo Vasari (1511 – 1574) sah die Zeichnung als die Mutter aller Künste (Architektur, Bildhauerei und Malerei) an. Auch wenn viel Wahres daran ist, möchte ich es so doch nicht unwidersprochen stehen lassen. Denn die Malerei besteht durchaus auch ohne Zeichnung. Wenngleich Zeichnungen oft die Grundlage der Malerei bildeten und bilden, kann die Malerei ohne Zeichnung auskommen. In diesem Fall erhält das Malerische den Vorzug vor dem Zeichnerischen in der Malerei. Allerdings ist das nicht gleichbedeutend damit, dass die Zeichnung grundsätzlich entbehrlich wäre. Gewissermaßen ist das Malerische eine Methode ohne jede Vorzeichnung Figuren und Formen auf dem Malgrund entstehen zu lassen.

 

Als ich mich der Malerei zuwendete, sah ich mich vor der Schwierigkeit gestellt, das Lineare, das ich von der Zeichnung kannte, mit malerischen Mitteln herzustellen. Dazu gebrauchte ich den Spachtel als Ersatz für Bleistift und Feder. Erst viel später erkannte ich mittels Pinselstrich und Farbgebung, das Zeichnerische nicht nur zu ersetzen, sondern vielmehr aus der Bildgestaltung zu entfernen und mich damit, dem Malerischen zuzuwenden.

 

Am Beispiel der Zeichnungen des Bildhauers Alberto Giacometti (1901 – 1966) ist sehr gut der „suchende Strich“ zu erkennen, mit der er das Figürliche erfasst und „zum Leben erweckt“. In der Malerei ist es dagegen der Pinselstrich und die Farbgebung mit der ohne jede (Vor)Zeichnung die Figur und Form herausgearbeitet werden können. Erst dadurch erhält das Malerische die Bedeutung, wodurch sie sich von der Zeichnung befreit und ein selbständiges Dasein erfährt.

 

Unter den Musen der klassischen (griechischen) Kunst gab es keine der Malerei. Die Göttin des Malerischen muss erst und vielleicht auch immer wieder neu erweckt werden.

 

 

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